Beschreibung
Editorial
»Die Propaganda für das Denken, auf welchem Gebiet sie immer erfolgt, ist der Sache der
Unterdrückten nützlich. Eine solche Propaganda ist sehr nötig. Das Denken gilt unter Regierungen,
die der Ausbeutung dienen, als niedrig.« Schreibt Bertolt Brecht in seinen immer wieder inspirierenden »Fünf Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit«. Und in seinem »Me-ti, Buch der Wendungen« definiert er: »Denken ist etwas, das auf Schwierigkeiten folgt und dem Handeln vorausgeht.«
Nun genießt der 200. Geburtstag von Karl Marx in diesem Jahr mit allerlei Ge-Denkveranstaltungen,
Ausstellungen, Konferenzen, Publikationen und sogar einem ZDF-»Dokudrama« mit Mario Adorf als »Der deutsche Prophet« Karl Marx, deutlich mehr öffentliche Aufmerksamkeit als der 120te von Bert Brecht. »Leider«, möchte ich fast sagen, da ich zu jenen gehöre, die als Jugendliche über Brecht’sche Werke bei den Recklinghäuser Ruhrfestspielen Marx’sches Denken entdeckt/ gelernt haben, bevor sie sich ans Original trauten. Der Beitrag von Jenny Farrel über Brechts ver-dichtetes »Manifest der Kommunistischen Partei« verbindet die beiden Jubiläen und zeigt am Beispiel, wie sehr Marx Brecht als Dichter bewegt hat.
Beim Ge-Denken an Marx200 stehen bei uns »Orthodoxen« (manch »Unorthodoxer« glaubt es kaum) nicht Historie, Nostalgie, atheistische »Gedenkgottesdienste« oder Zitier-Wettbewerbe auf dem Plan, sondern der Blick auf die Entwicklung Marx’schen Denkens, was Unabgeschlossenheit, Aktualitäts- und Weiterentwicklungspotenzial für Denken und Handeln voraussetzt.
Zu den Beiträgen in Kürze:
Dietmar Dath, erinnert sich an seine erste Begegnung mit Marx und schildert, was er
heute noch bedeutet. Holger Wendt verteidigt in seinem Essay den »authentischen« Marxismus
in seiner Gänze, als System und kollektives Projekt gegen ein »eklektisches« Verständnis,
»welches Marx zwar als Ideengeber würdigt, die Gesamtsystematik seines Werkes jedoch aufsprengt, es zum intellektuellen Steinbruch herabstuft, Kerninhalte entsorgt«. Der viel beachtete Vortrag von Georg Fülberth bei der diesjährigen Jahresmitgliederversammlung der Marx-Engels-Stiftung »Marx als Produkt« beantwortet, wovon wir reden, wenn wir über 200 Jahre Karl Marx reden. Eine kurze Einführung in die Entwicklung der »Großen Methode«, das »Dialektische Denken«, gibt Richard Sorg. Im Beitrag »Karl Marx über Dienstleistungen« veranschaulicht Klaus Müller, dass die Frage, welcherart Arbeit Dienstleistungsarbeit ist – produktiv oder unproduktiv, wertbildend und Ware oder nicht? – keineswegs nur für detailversessene Politökonomen von Interesse ist, sondern für alle, die eine genaueres Bild von der Arbeiterklasse als »Subjekt der Veränderung« brauchen. In seinem Buch »Integrativer Marxismus« skizziert Thomas Metscher Felder der theoretischen Erweiterung des Marxismus, wovon wir seine Anregungen für eine »politische Ethik« und einen »neuen Humanismus« vorstellen. Abgeschlossen wird unser Schwerpunkt mit Reflexionen von Wolfgang Jantzen nach der Lektüre zweier Bücher von Kohei Saito und Daniel Stosiek über »Mensch, Natur, Kapital und Befreiung – Mit Marx über Marx hinaus.«
In Erwägung, dass die Weiterentwicklung Marx’schen Denkens nur als kollektives Projekt
Erfolg verspricht, empfehlen wir unseren Leser*innen auch die »Marx200«-Ausgaben der
Zeitschrift »Z. Marxistische Erneuerung« und der SPD-nahen Zeitschrift SPW zur Lektüre,
wissend, dass kluge, sozialdemokratische Marxist*innen in der gegenwärtigen Regierungs- und
Gewerkschaftspraxis nicht sonderlich wirk-mächtig sind. Eine Schwierigkeit, über die
es sich 2018 besonders lohnt gemeinsam nachzudenken und dann auch zu handeln. LoG
Inhalt
MARX 200
Kommentar
»Höchstwahrscheinlich …« (»highly likely«), Lothar Geisler
Aktuelles
Russland im Fadenkreuz der NATO, Jörg Kronauer
Klare Warnung an Macron, Georg Polikeit
Metall-Abschluss 2018: Arbeitszeit – wie weiter?, Achim Bigus
SPD-Krise und Erneuerungsdiskussion, Beate Landefeld
Zum 22. Parteitag der DKP, Wera Richter
Thema: Marx 200
Kritik an der Macht UND an der Ohnmacht oder
Warum es ohne Marx keine Politik gegen das Unrecht gibt, Dietmar Dath
Authentischer Marxismus als Programm - Ein Essay, Holger Wendt
Marx als Produkt - Wovon reden wir, wenn wir über 200 Jahre Karl Marx sprechen?, Georg Fülberth
Einführendes zur Dialektik, Richard Sorg
Karl Marx über Dienstleistungen, Klaus Müller
Über Aufklärung, politische Ethik und erneuerten Humanismus, Thomas Metscher
Bertolt Brechts Ver-Dichtung des Manifests der Kommunistischen Partei, Jenny Farrell
Mensch, Natur, Kapital und Befreiung – mit Marx über Marx hinaus, Wolfgang Jantzen
Aus der Arbeit der Marx-Engels-Stiftung
Digitalisierung: Hype oder Drohkulisse?, Wolfgang Garbers
Leserzuschrift
»Unterstützung für die 35-Stundenwoche«, Anne Rieger
Position
Zur Rolle des Finanzkapitals beim Anschluss Österreichs, Hans Hautmann
Dokumentation
Imperialismus in der Offensive - Referat des 23. Bundeskongresses der SDAJ, Lena Kreymann
Rezensionen
Thomas Metscher: Integrativer Marxismus, (Jenny Farrel)
Dieter Jahnke u.a. (Hg,): Marx‘ »Kapital« im 21. Jahrhundert (Holger Wendt)
Gareth Stedman Jones: Karl Marx – Die Biographie, (Timm Graßmann)
Eicker-Wolf, Kai: Wirtschaftswunderland. Eine Abrechnung mit der
Wirtschaftspolitik von Gerhard Schröder bis heute (Georg Fülberth) u.v.m.