Editorial
Ohne Frage: die Medienlandschaft unterliegt radikalen Umbrüchen. Aber hinter manch öffentlichem Hype um »Neue Medien«, Digitalisierung, Social Media, Internet- und Plattformökonomie sowie den Zugang zu selbigen, wird hier und da aus dem Auge verloren, dass es ja auch noch »alte« Medien gibt – gedruckte und audio-visuelle – mit allerdings zum Teil ähnlichen Problemen, was wirtschaftliche (Monopol-)Strukturen, journalistische Qualität und (fehlende) Vielfalt sowie Akzeptanz und Glaubwürdigkeit bei uns Medienkonsument:innen angeht. Wie es um deren digitale Nachrichten- und Medienkompetenz bestellt ist, zeigt eine Studie, deren Ergebnisse wir im Heft dokumentieren. Jenseits pauschaler »Lügenpresse«-Vorwürfe und diffus-irrationaler Manipulationsängste vor Algorithmen oder einer übermächtigen »Propaganda-Matrix« wollen wir mit unserem Schwerpunktthema in der Tradition marxistischer Medienkritik die konkreten Zusammenhänge zwischen Medien-, Macht- und Meinungs-Monopol unter die Lupe nehmen. Nicht zuletzt, um Ansatzpunkte für demokratische Veränderung aufzuzeigen. Denn auch die Welt der Medien ist erkennbar und veränderbar. So schwer dieser Kampf auch scheint, wir können und dürfen ihm nicht ausweichen.
Den Einstieg ins Schwerpunktthema macht Gert Hautsch. In seinem Beitrag »Gedrucktes unter Druck« beleuchtet er den Niedergang der Printmedien, Konzentrationsprozesse im Verlagswesen (Zeitungen, Zeitschriften, Bücher) und erkennbar dramatische Auswirkungen von Digitalisierung und Internet-Konkurrenz. Heike Krämer untersucht die wachsende Markt- und Meinungsmacht globaler Medienangebote der Tech-Giganten Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft - kurz GAFAM genannt - und sucht Potenziale zur demokratischen Kontrolle bzw. Umgestaltung der Plattformökonomie. Mandy Tröger fokussiert u. a. auf die übergreifende Frage, wie bei monopolisierter Datenmacht »von oben« die grundlegenden Fragen demokratischer Ordnung »von unten« beantwortet werden können. Konstanze Kriese gibt uns Einblick in die »Mühen der Ebene« linker Medien- und Kulturarbeit im Europa-Parlament, wo an neuen Gesetzespaketen gestrickt wird, an deren regulierender, demokratisierender Wirkmacht gegenüber den Big Five berechtigte Zweifel bestehen. Uwe Krüger hilft bei der Beantwortung der Frage »Woran erkennt man Propaganda?« Und Rüdiger Rauls skizziert am konkreten Beispiel der FAZ und ihrer China-Berichterstattung zu Beginn der Corona-Pandemie ein verqueres Verständnis von »Meinungsvielfalt«. Unter welchen Bedingungen unsere Kolleg:innen in der bunten, kreativen Glitzerwelt der Film- und Fernsehwirtschaft arbeiten, untersucht Jörg Langer in seinem Artikel über das »Selbstverwirklichungsprekariat«. Heiko Hilker beantwortet die Frage, »wem der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu dienen hat« und warum die klassischen Massenmedien auf viele Menschen »wie ein monolithischer Block wirken«. Mit seiner realistischen Utopie eines reformierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks schließt Michael Meyen unseren Schwerpunkt ab bzw. gibt einen Impuls für Diskussion und Bewegung. Georg Polikeit und Volkmar Schöneburg haben zwei Rezensionen wichtiger Bücher zum Themenkomplex beigesteuert.
Im Namen von Redaktion und Verlag möchten wir uns an dieser Stelle bei der kleinen Schwerpunkt-AG aus Heike Krämer, Volkmar Schöneburg und besonders Franziska Schneider bedanken, deren Konzept-Entwurf und Kontakte zum »Netzwerk Kritische Kommunikationswissenschaft« sehr hilfreich waren.
Gastkommentar
Wenn eine andere Sicht nicht mehr zugelassen wird,
Karin Leukefeld
Aktuelles
Das Taliban-Regime als Abschiedsgeschenk des US-Imperialismus, Matin Baraki
Zur Friedenspolitischen Konferenz von ver.di, Raheb Balkhi
Privatisierung der Inneren Sicherheit 2.0, Ralf Hohmann
Pleite mit Farbtupfer, Georg Fülberth
Die extreme Rechte bleibt eine gefährliche politische Option, Ulrich Schneider
Sozialliberale Regierung – oder doch nicht?, Rainer Perschewski
Vom Schreckgespenst zur Hoffnungsträgerin, Anne Rieger
Thema: Medien- Macht- und Meinungsmonopol
Gedrucktes unter Druck, Gert Hautsch
Die Macht globaler Medienplattformen im »Online-Kapitalismus«, Heike Krämer
Daten und Demokratie im Digitalen Kapitalismus, Mandy Tröger
Europäische Mediengesetzgebung zwischen Vorabend-Krimi und Politthriller, Konstanze Kriese
Woran erkennt man Propaganda?, Uwe Krüger
Westliche Vorstellung von Meinungsvielfalt, Rüdiger Rauls
Arbeiten in der Film- und Fernsehwirtschaft oder Das Selbstverwirklichungsprekariat, Jörg Langer
Kommerz oder Demokratie- Wem der Rundfunk zu dienen hat, Heiko Hilker
Medienqualität für zwei Euro, Michael Meyen
Dokumentation
Quelle: Internet? Digitale Nachrichten- und Informationskompetenzen der deutschen Bevölkerung im Test, Anna-Katharina Meßmer, Alexander Sängerlaub und Leonie Schulz
Positionen
Victor Klemperers Lingua Tertii Imperii, Jenny Farrell
Kapitalismus und Sozialismus im Pandemie-Stresstest, International Manifesto-Group
Der vietnamesische Weg zum Sozialismus, Nguyen Phu Trong, Generalsekretär der KP Vietnams
Diskussion
Warum der Neoliberalismus Neofaschisten braucht, Prabhat Patnaik
Rezensionen
IALANA (Hrsg.): Krieg und Frieden in den Medien. (Georg Polikeit)
Rolf Gössner, Datenkraken im Öffentlichen Dienst. Laudatio auf den präventiven
Sicherheits- und Überwachungsstaat (Volkmar Schöneburg)
Friedrich Burschel (Hg.), Das faschistische Jahrhundert. Neurechte Diskurse zu
Abendland, Identität, Europa und Neoliberalismus. (Rainer Venzke)
Holger Wendt: Politische Ökonomie. Ein Einstieg für Neugierige (Klaus Müller)
Christa Wolf: Sämtliche Essays und Reden in drei Bänden. Hrsg. Sonja Hilzinger. (Rüdiger Bernhardt)
Gisela Kehrer-Bleicher, Martha Stirner (Hg.), Gerhard Bialas, Gärtnermeister, Friedenkämpfer, Kommunist (Dieter Keller)
Anton Stengl: Chinas neuer Imperialismus – Ein ehemals sozialistisches Land rettet das kapitalistische Weltsystem (Lars Mörking)